Philip Seymour Hoffman: Meister des peinlichen Moments (2024)

Philip Seymour Hoffman hatte keine Angst vor der Selbstentblößung. Er spielte Einsame, Verlierer und Perverse. Die Traurigkeit der Figuren war auch seine eigene.

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Wie ein glücklicher Mann sah Philip Seymour Hoffman nie aus, und er wusste natürlich auch sehr gut, dass er weder die Statur noch das Aussehen eines strahlenden, romantischen Helden hatte, mit seiner schwammigen Physis, dem blassen Teint, den wässrig blauen Augen und strähnig rotblonden Haaren. Doch, meine Güte, was machte er daraus! So seelentief und wahrhaftig die Nöte des vom Leben gedemütigten kleinen Mannes ausspielen, das kann man wohl nur, wenn man sie schmerzlich am eigenen Leib gespürt hat.

An der Highschool entdeckte der 1967 in Fairport, New York geborene Hoffman sein Talent, besuchte später die New Yorker Tisch School of Arts und fiel 1998 im Kino zum ersten Mal richtig auf, in Todd Solondz' Happiness, einer finsteren Komödie, in der es natürlich um alles andere ging als ums Glück. Aus einer einzigen, nicht besonders langen Szene destillierte er da die ganze Kläglichkeit der menschlichen Existenz. Mit bleichem, pummeligem Körper und hängenden Schultern sitzt er da in Unterhosen auf der Bettkante, keucht und schnauft schwitzend ins Telefon, bis ein gelblich glasiger Klecks an die weiße Wand neben der Nachttischlampe platscht.

Die große Kunst von Philip Seymour Hoffman bestand darin, neben der spontanen Abscheu, die diese Szene auslöst, sehr schnell ein tiefes Mitgefühl für diesen einsamen, traurigen Mann zu wecken. Noch für die lächerlichsten Loser hat er Sympathien mobilisiert. Frei von Eitelkeit und mit einer Rückhaltlosigkeit, die an Selbstentblößung grenzt, hat er klägliche Verlierer, schüchterne Loner, großspurige Angeber, schmierige Perverse, arrogante Rechthaber und opportunistische Arschkriecher gespielt, aber auch den hingebungsvollen Krankenpfleger, der in Magnolia einen todkranken Vater und seinen entfremdeten Sohn zusammenbringt. Und immer wieder hat er, ohne es darauf anzulegen, den großen Stars, in deren Schatten er spielte, die Show gestohlen, so wie hier Tom Cruise, wie Al Pacino in Der Duft der Frauen oder Robert De Niro in Makellos.

Capote als erste Heldenfigur

Bald spielte er sich so in die sonst für verlässliche Nebendarsteller eher unerreichbare Liga der Hauptdarsteller. Seine erste Hauptrolle in Owning Mahowny hält Philip Seymour Hoffman zwischen souveränem Geschäftsgebaren am Arbeitsplatz in der Bank und lächerlicher Zwanghaftigkeit am Spieltisch bravourös in der Schwebe. Der ganz große Coup wurde dann seine mit dem Oscar ausgezeichnete Truman-Capote-Mimikry. Obwohl er da zum ersten Mal fast so etwas wie einen amerikanischen Helden spielte, fügte sich der zwischen Anflügen von Größenwahn und Anfällen von Verzweiflung schlingernde Schriftsteller perfekt in seine Filmografie.

Reale Persönlichkeiten wie den Musikkritiker Lester Banks in Almost Famous oder den Spielsüchtigen in Owning Mahowny hatte Hoffman schon mehrmals intoniert, doch Capote war ein anderes Kaliber. Es half, dass er mit dem Regisseur Bennet Miller und dem Drehbuchautor Danny Futterman seit Teenagerzeiten befreundet war: "Wir hatten einfach nichts zu verlieren miteinander, und konnten uns richtig gehen lassen, ohne uns zu genieren", erzählte er im Gespräch zum Deutschlandstart des Films, bei dem er sich in verwaschenem schwarzen Pulli und ausgebeulter Hose in die Couchecke fallen ließ und sich auch sonst eher muffelig abweisend gab. Fragte man ihn, woher er den ungeheuren Mut zu Demütigung und Peinlichkeit nimmt, winkte er ab. Die Konsequenz, mit der er auf der Leinwand wie mit dem Vergrößerungsglas genau das sichtbar macht, was jeder Mensch im Leben zu verbergen versucht, war für ihn einfach nur die Essenz seines Berufes: "Ganz unabhängig davon, wen man spielt, geht es immer darum, die verborgenen Seiten zu zeigen. Man muss jede Privatheit eliminieren und immer das zeigen, was in einem Menschen verwundbar ist. Nur so wird spürbar, wer dieser Mensch wirklich ist, nur so dringt man tief in seine Psyche ein." Als manischer Perfektionist, der seine Darstellungen bis in die kleinste Fingerspitze hinein kontrolliert, erarbeitete er sich in fünf akribischen Monaten all die affektierten Manierismen und den Klang der fisteligen Stimme des berühmten Literaten.

Als er kurz darauf im Mainstreamblockbuster Mission Impossible 3 den fiesen, skrupellosen, eiskalten Gegenspieler von Tom Cruise spielte, den Geheimnishändler Owen Davian, der hinter den Kulissen auf internationaler Ebene die Fäden zieht und nicht zu fassen ist, obwohl er von Agenten aus aller Welt gejagt wird, fragte man sich, warum nicht schon längst jemand auf die Idee gekommen war, ihn als Psychopathen zu besetzen. Doch so eine Rolle unterforderte ihn auch maßlos: "Da gibt es keine Tiefe, sondern nur animalische Bedürfnisse, und das ist für mich als Schauspieler auch frustrierend. Als normales, menschliches Wesen hinterfragt man sich selbst, man hat Zweifel, und wenn man so einen Typen spielt, begreift man, dass es da nur um reines Bedürfnis geht. Gefühle gibt es da nur, wenn er nicht bekommt, was er will, in der Form reiner Wut und Gewalt."

Philip Seymour Hoffman: Meister des peinlichen Moments (2024)

FAQs

What movie was Philip Seymour Hoffman making when he died? ›

Unfortunately, in his youthful years, Hoffman struggled with drug addiction, and though he managed to abstain for several years, he relapsed in 2012 and died of combined drug intoxication on February 2, 2014. At this time, he was filming The Hunger Games: Mockingjay Part 2.

What was Philip Seymour Hoffman most famous for? ›

Philip Seymour Hoffman (born July 23, 1967, Fairport, New York, U.S.—died February 2, 2014, New York City) was an American actor known for scene-stealing work in supporting roles and for his Academy Award-winning portrayal of Truman Capote in Capote (2005).

Who overdose in The Hunger Games? ›

Enter his computer double. Philip Seymour Hoffman, left, and Woody Harrelson star in The Hunger Games: Catching Fire. When Philip Seymour Hoffman died of a drug overdose in February, he left behind a large and highly respected body of work.

How much was Philip Seymour Hoffman worth when he died? ›

Hoffman's estimated net worth at the time of his death was $35 million—he left everything to O'Donnell. However, since O'Donnell was not his legal spouse, the estate tax breaks normally available to spouses are not applicable to Hoffman's estate.

Is Plutarch Heavensbee good or bad? ›

Summary. Plutarch Heavensbee's motives were never established, making him neither hero nor villain. Plutarch's role in the Second Rebellion enabled Panem to be liberated. Plutarch also used countless others as pawns to enable the success of the Rebellion and then reaped the rewards.

Which Hunger Games movie is the best? ›

The Hunger Games Movies Ranked by Tomatometer
  • #1. The Hunger Games: Catching Fire (2013) 90% #1. ...
  • #2. The Hunger Games (2012) 84% #2. ...
  • #3. The Hunger Games: Mockingjay, Part 1 (2014) 69% #3. ...
  • #4. The Hunger Games: Mockingjay, Part 2 (2015) 69% #4. ...
  • #5. The Hunger Games: The Ballad of Songbirds & Snakes (2023) 64% #5.

What is the story of God's pocket? ›

How old was Seymour Hoffman when he died? ›

Then I realised a big thing it lacked which its predecessors had: Philip Seymour Hoffman, whose desperately sad death 10 years ago at the age of 46 is still shocking to me.

What was Philip Seymour Hoffman's first movie role? ›

degree in Drama in 1989. He made his feature film debut in the indie production Triple Bogey on a Par Five Hole (1991) as Phil Hoffman, and his first role in a major release came the next year in My New Gun (1992).

Was Philip Seymour Hoffman cremated? ›

How much did Philip Seymour Hoffman weigh? ›

“Capote was 5′ 2”, Phil was 5'10″1/2, he weighed about 240 lbs, and had a deep voice, thick wrists like a wrestler or a football player — like a jock. He did have the right color hair, though.

Did Seymour Hoffman have a son? ›

Cooper Hoffman, the son of the late Phillip Seymour Hoffman, stars in Paul Thomas Anderson's "Licorice Pizza", a warmly raucous look at an ambitious teen on the make in 1980s Los Angeles.

What was Philip Seymour Hoffman's last film? ›

At the time, he was working on the final film in The Hunger Games franchise, in which he played a supporting role. But the last film he saw completed was A Most Wanted Man, an adaptation of a John le Carré spy novel, directed by Anton Corbijn.

What caused the death of Philip Seymour Hoffman? ›

Sign up now for a weekly digest of the top drug and alcohol news that impacts your work, life and community. Actor Philip Seymour Hoffman died from taking a combination of drugs, including heroin and cocaine, according to the New York City Medical Examiner.

How did they film the last Hunger Games without Philip? ›

After Hoffman's death, there was a change to the shooting schedule, giving the cast shorter working days to allow time for mourning. A small amount of digital trickery, using existing footage of the actor, was used to disguise his absence.

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Author: Van Hayes

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